In Zeiten der Not und des Leidens war wohl das kleine Kirchlein für die Bevölkerung Zufluchtsstätte und Ort des Trostes. Hier konnte man bei der Betrachtung der Leidensgeschichte des Stephanus, des ersten Märtyrers der Christenheit, des Namenspatrons dieser Kirche, in aller Bedrängnis wieder Kraft und Hoffnung schöpfen.
Der zweiflügelige Altar, eine spätgotische Arbeit, zeigt in vier Bildern Szenen aus dem Leben des Heiligen, in dieser Reichhaltigkeit etwas Seltenes.
Links oben sehen wir, wie Stephanus gefesselt vor den Hohen Rat geführt wird. Unwillkürlich wird man an die Situation bei der Gefangennahme Jesu erinnert. Auffallend ist das ruhige, leuchtende Gesicht des Stephanus; „wie eines Engels Angesicht“, heißt es in der Apostelgeschichte. Darunter seine Steinigung: Von seinen Peinigern abgewandt, kniet er im Gebet versunken:
“ Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht!“ . Im Hintergrund vor der Stadt hütet ein Hirte seine Schafe, Hinweis auf den, der sein Leben für die Schafe lässt. Rechts oben predigt Stephanus den Leuten. Bemerkenswert, wie es dem Künstler gelungen ist, die Szene in die eigene Zeit zu übertragen! Unten dann das Begräbnis: Jünger und Freunde betten seinen Leib in einem großen Steinsarg zur Ruhe. Aber ein Mann zeigt mit seiner Hand auf etwas anderes. Unser Blick soll auf den Mittelschrein gelenkt werden. Wir sehen: nicht der Tod bleibt Sieger, Stephanus ist zu neuem leben erwacht im goldenen Gewand, dem Zeichen des himmlischen Reiches, umgeben von zwei Engelshalbfiguren auf Wolkenballen. Er hält die Siegespalme in der Hand, nur die Steine zeugen noch von dem, was er leiden musste.
Zu seinen Füßen in der Predella, erblicken wir die beiden im 14. Jahrhundert, wohl am häufigsten dargestellten Heiligen, Barbara und Katharina, auch sie ja Märtyrerinnen. Der Legende nach wird Barbara von Ihrem Vater in einem Turm eingeschlossen, empfängt aber trotzdem die Taufe. Nach vielen Qualen, in denen ihr Christus erscheint und sie mit seinem Leib und Blut stärkt, wird sie schließlich von ihrem erzürnten Vater mit dem Schwert erschlagen. Turm und Kelch mit Hostie sind ihre Zeichen. Auch Katharina, eine Königstochter von Zypern, lässt sich nicht vom Glauben abbringen und wird enthauptet. Sie hält ein Buch in der Hand, Symbol für ihren Gebetseifer und ihre Gelehrsamkeit. Beide tragen zu Zeichen ihrer Standhaftigkeit und als Hinweis für den Sieg Christi über den Tod Palmenzweige. So muss wohl einem Betrachter früher ganz deutlich geworden sein, woher wir als Christen Kraft schöpfen können, auch in Zeichen der Not: im Wort und Sakrament Gottes, in der Bibel und im Heiligen Abendmahl.
Über dem Altar spannt sich das Kreuzrippengewölbe des Turmchores mit den Symbolen der vier Evangelisten. Den Abschluss bildet ein runder Stein, mit dem Lamm Gottes verziert. Neben der kleinen Figur eines Abtes über dem Eingang zur Sakristei ist die Renaissance-Kanzel, eine Stiftung von 1671, beachtenswert. In ihrem warmen Holzton passt sie sehr gut zu der weiteren Innenausstattung, dem Gestühl und der Empore, die das Kirchenschiff auf drei Seiten umrahmt. Taufstein und Orgel vervollständigen die einfache Einrichtung. Wohl deshalb macht diese Kirche einen sehr traulichen, geradezu familiären Eindruck.
Zu den Gottesdiensten, die alle 14 Tage stattfinden, kommen auch die Bewohner der umliegenden Dörfer und Weiler, wie Mosenhof, Hartenberg und vor allen Dingen aus dem „Gebirg“ von Schupf.
Weihnachten 1981
Pfarrer Wolfram Schiffner, Happurg - Kainsbach