Kirchengemeinden Happurg und Kainsbach

Evangelisch-Lutherische Kirche

Abendgebet 18 4. Sonntag nach Trinitatis

 Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Regenbogen

 

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Entzünden einer Kerze

 

Lied Evang. Gesangbuch 483 – „Herr, bleibe bei uns“

Herr, bleibe bei uns;
denn es will Abend werden,
und der Tag hat sich geneiget.         

(Lukas 24,29)

Eröffnung allein oder im Wechsel

Herr, bleibe bei uns,

                denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.

Gott, gedenke mein nach deiner Gnade.

                Herr, erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.

Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.

                wie im Anfang so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.

Halleluja.

Gebet

Nun sich der Tag geendet, mein Herz sich zu dir wendet und danket inniglich: Dein holdes Angesichte zum Segen auf mich richte, erleuchte und entzünde mich!

Ich schließe mich aufs Neue in deine Vatertreue und Schutz und Herze ein; die fleischlichen Geschäfte und alle finstren Kräfte vertreibe durch dein Nahesein!
Amen.

(Gerhard Tersteegen)

 

Lesung: Römer 12,17-21

 

Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln«. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Predigt

Liebe Gemeinde,

es ist eine klare Ansage, die der Apostel Paulus den Lesern des Römerbriefes mit auf den Weg gibt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Ob das so einfach gelingt? Ich habe meine Zweifel, wenn ich an den Polizisten denke, der dazu folgenden kleinen Text geschrieben hat:

„Du siehst ihn auf der Bank liegen. Er hat sich vollgekotzt. Du merkst, dass er dich nicht richtig wahrnehmen kann. Er stöhnt und beschimpft dich ‚Du Bullensau‘. Du nimmst ihn hoch, weil es zu kalt ist; denkst, er erfriert. Er nennt dich einen ‚Drecksack‘ und ‚Schweinehund‘. Du passt auf, dass er sich den Kopf nicht anschlägt. Die Kollegin fährt ganz vorsichtig. Du hast ihn angeschnallt, damit er nicht von der Bank rutscht. Du stützt ihn, damit er nicht fällt. Er tritt, schlägt und spuckt nach dir... Mittlerweile riecht er nach Urin. Seine Hose wechselt die Farbe. Du hilfst ihm, damit er sich beim Hinlegen nicht verletzt. Seine Frau schreit am Telefon: ‚Behaltet das Schwein‘. Du notierst alles, was er dabei hat, damit nichts verloren geht. Er schläft. Du schaust alle Stunde nach ihm. Er schnarcht. Er geht am nächsten Morgen heim. Du erhältst keinen Dank.“

(Martin Ulbrich, Spurensuche, 25)

Vor dem Polizisten habe ich Respekt. Stets hilfsbereit und zugewandt kümmerte er sich um den Betrunkenen. Was für eine Mühe muss es ihm gekostet haben, stets ruhig zu bleiben?! All diese Beschimpfungen und den Gestank über sich ergehen zu lassen, den Ärger hinunterzuschlucken und dann auch noch den Frust der Frau zu ertragen, würde jeden an seine Belastungsgrenze bringen. Da sieht man, was für eine Anstrengung, was für eine Überwindung das ist, stets mit Gutem zu reagieren.

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Das ist nicht einfach. Aber es kann gelingen, wie wir gesehen haben. Doch großen Dank dafür darf man nicht gleich erwarten. Die Früchte, die man davon erntet, sind andere. Es entlastet das eigene Gewissen, wenn man sich nicht in den Strudel von Ärger und Wut hineinziehen lässt. Und es macht die Welt, die oft so rau ist, menschlicher, wenn nicht alles gleich mit barer Münze heimgezahlt wird.

Böses mit Gutem überwinden, das kann gelingen – jedoch nicht in jedem Fall. Schließlich kann es auch weniger vorteilhaft sein, alles mit sich machen zu lassen. Darüber dachte vor langer Zeit schon der antike Philosoph Plutarch nach und schrieb:

„dass man die, die uns schamlos und rücksichtslos belästigen, abweisen darf durch Rücksichtslosigkeit, wird von allen, die Verstand haben, als gut und richtig geschehen [beurteilt]“.

Grundsätzlich teilt der Philosoph die Meinung vom Paulus: Böses sollte man nicht mit Bösem vergelten. Doch anders als Paulus sieht Plutarch Ausnahmen, wenn diese friedfertige Grundhaltung rücksichtslos ausgenutzt wird. Rücksichtsloses mit barer Münze heimzahlen. Das kann auch mal genugtuend sein, wenn der andere es selbst hautnah erfährt, wie rücksichtslos er ist. Aber ist das gut? Spornt es den rücksichtslosen Umgang nicht nur noch weiter an? Geht es nicht anders?

Schüchterne Kinder im Kindergarten oder in der Schule haben es nicht leicht, wenn sie alles mit sich machen lassen. Die einfache Aufforderung: „Na, dann wehr dich doch mal!“, hilft ihnen wenig weiter. Stattdessen sollten sie Selbstbewusstsein lernen. Beginnen tut das bereits bei der Körperhaltung. Wichtig ist auch die Art, wie wortgewandt und schlagfertig sie mit den Hänselein umgehen. Selbstbewusst auftreten und Grenzen setzen, das kann respektvoll gelingen.

Paulus ermuntert, auf Gutes bedacht zu sein gegenüber jedermann. Er fügt aber noch an:

„Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“

Paulus ist kein Idealist, der die Bodenhaftung verloren hat. Er weiß um Situationen, wo sein Anliegen nur schwer gelingen kann. Er scheint zu ahnen, welche Kraft und Dynamik in Momenten steckt wo Ärger, Wut, Zorn und Hass überhandnehmen, wo jeder noch so große Wille für Frieden scheitert. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir selbst eine solche Lage noch nicht durchlebt haben. Aber es gibt solche Momente, wo friedfertige Menschen sich nicht mehr aus dem Strudel solcher Gefühlswelten retten können.

Besonders anschaulich wird das vor allem an Schillers Drama Wilhelm Tell. Die Figur des Wilhelm Tells mag für das Schauspiel erfunden sein, aber im Großen und Ganzen greift es zurück auf eine historische Situation des 14. Jahrhunderts, in der die Schweiz um ihre Unabhängigkeit kämpfen musste. Weil das Schweizer Landvolk dabei von Seiten der Habsburger erhebliche Unterdrückung erfuhr, schlossen sich die drei schweizer Kantone zusammen, um sich gegen die Tyrannei zu wehren. Im ersten Teil des Dramas geht es um diese Situation. Wilhelm Tell, der als friedfertiger Mensch sowie liebevoller Vater und Ehemann dargestellt wird, gerät rein zufällig in die Auseinandersetzung. Er hatte vergessen, dem Hut des kaiserlichen Landvogts zu grüßen. Der Landvogt hatte den Hut aufstellen lassen, um die Unterwürfigkeit des Volkes zu prüfen. Da Wilhelm Tell dies nun nicht getan hatte, wird er festgenommen. Dabei trifft ihn die volle Wucht der Tyrannei des Landvogts. Tell kann sich schließlich befreien und erschießt den Landvogt. Tells Handeln löst schlussendlich sogar einen ganzen Volksaufstand aus, der zur Vertreibung der Machthaber führt.

Eindrücklich führt dieses Drama vor Augen, wie radikal äußere Umstände einen friedfertigen Menschen verwandeln können, welche Dynamik sie entfalten können. Wilhelm Tell selbst sagt dazu:

„Ich lebte still und harmlos. Das Geschoss war auf des Waldes Tiere nur gerichtet. Meine Gedanken waren rein von Mord... Du hast aus meinem Frieden mich herausgeschreckt.“

Er ist zum Mörder geworden, obwohl er eigentlich ein friedfertiger Mensch war. Die Tyrannei des Landvogts hatte ihn dazu getrieben. Aus dem Strudel des Hasses konnte er sich nicht mehr reißen. So vergalt er Böses mit Bösem. Und tief drinnen im Herzen, da scheint bei Tell auch etwas zerbrochen zu sein. „Meine Gedanken waren rein von Mord“. Am Ende waren sie es nicht mehr.

Trotzdem mündet das Drama schließlich in ein gewisses Happyend. Der von Tell ausgelöste Volksaufstand, der das schweizer Landvolk von der Tyrannei und den Machthabern befreite, führte das Drama dann doch noch zum positiven Ende. Die Dynamik dieses Dramas ist also ambivalent zu sehen. Nicht ohne Grund haben die Nazis Schillers Drama verboten. Offenbar war ihnen die Verwandlung, die Tell im Laufe der Handlung durchlebte, die Dynamik, die ein Einzelner hier entfachte, nicht ganz geheuer. Aus der Geschichte des Dritten Reichs wissen wir: Widerstand kann unter Umständen notwendig sein. Manchmal muss man dem Rad in die Speichen greifen, um Schlimmeres zu verhindern.

Und dennoch gilt: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Paulus rät, die Rache nicht selbst in die Hand zu nehmen. Stattdessen soll sie Gott anheimgestellt werden. Wie auch immer man über das Gottesbild, das hier Paulus malt, denken mag, so wird dabei doch zumindest deutlich: Paulus wischt Unrecht nicht weg. Auch die Gefühlswelten von Hass und Rache nimmt er ernst. Er rät jedoch dazu, nicht selbst die Rache in die Hand zu nehmen, sondern das letzte Wort, das letzte Urteil über das Böse Gott zu überlassen. Alles soll man in Gottes Hände legen, nicht nur die Klage und Not, sondern auch das Gericht.

Dahinter steckt das Vertrauen, dass Gott für die Wiederherstellung der Ordnung – also letztlich für Gerechtigkeit – sorgen werde. Wie Gott das tut, darüber hat Paulus in den vielen Zeilen des Briefes zuvor nachgedacht. Allein die Überschrift zum Hauptteil seines Briefes macht deutlich, wie er darüber denkt. Paulus schreibt:

„Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben.“

Im Mittelpunkt steht hier die Kraft Gottes, als eine Kraft, die heil macht, was zerbrochen ist, die selig macht, alle die daran glauben. Paulus rechnet also mit einem Aspekt, der leicht außer Acht gelassen wird. Paulus rechnet mit Gott, der mit seiner Kraft wirkt und Recht schafft und für den Frieden sorgt, nach dem wir uns sehnen. Wer in dem Feind den Nächsten sieht, der dient Gott, der macht den Dienst Gottes an den Menschen erfahrbar, der bringt Gottes Friede unter die Leute, der trägt dazu bei, dass auch der Feind sich verwandelt, umkehrt, der hilft, dass die Gemeinde Gottes sichtbar wird. Dem Rad in die Speichen zu fallen schließt auch das nicht aus, wie Dietrich Bonhoeffers Lebensweg eindrücklich belegt.

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Wenn wir Gott vertrauen und wir alles in seine Hände legen, sind wir nicht allein auf weiter Flur. Es kommt auf unser Gottvertrauen an. Dann haben wir einen, der uns bei unsrem Vorhaben mit seiner Kraft stärkt und stützt.


Gebet

 

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens:
dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,
dass ich verbinde, wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht,
dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt,
dass ich die Hoffnung wecke, Wo Verzweiflung quält,
dass ich dein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,
dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.

Ach Herr, lass du mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste,
nicht dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe,
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer da hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer da stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Amen.

(Franz von Assisi)


Segensbitte

Es sei der Segen von dem, der unbemerkt dir deinen Rücken stärkt:
der stille, unaufdringliche Quell des Lebens –
von uns Menschen Gott genannt,
von Jesus Christus Vater im Himmel,
uns nahe als guter Lebens-Geist.
Amen.

(Herbert Jung, gekürzt)

 

Autor: Pfarrer Gottfried Kaeppel
  Happurg 05.07.20